Jugendarbeit im europäischen Dorf – Alles im grünen Bereich?

Es ist Mittwoch, 28.09.2022 um 8:30. Wir befinden uns im Jugendzentrum A-Toll in Amstetten, Niederösterreich. Wir, das sind sieben Repräsentant:innen von drei Dachverbänden der offenen Kinder- und Jugendarbeit im deutschsprachigen Raum: LAG OKJA Niedersachsen, der Rat der deutschsprachigen Jugend in Ostbelgien (RDJ) und die Niederösterreichische AG Offene Jugendarbeit (NÖJA). Gestärkt von Kaffee und Mannerschnitten setzen wir uns in einen Halbkreis und schauen aufmerksam in unsere Laptops. Nur noch vier Stunden bevor alle ihre bis zu zwölfstündige Heimreise antreten. Es ist unser letztes inhaltliches Treffen und es gibt noch einige zu diskutierende Punkte im Konzept. Zwei Jahre lang haben wir inhaltlich, fachlich und kollegial zusammengearbeitet. Jetzt soll alles final in diesem Konzept zusammenfließen. Gemischte Gefühle: einige Nerven liegen blank, Wehmut über das nahende Projektende und Freude über die spannenden Begegnungen und Eindrücke, die noch nachwirken. Bis 12:30 arbeiten wir konzentriert weiter, fokussieren uns auf die Potentiale der OKJA in ländlichen Räumen und einigen uns auf Forderungen für lokale Entscheidungsträger:innen.

Zwei Jahre Zusammenarbeit, was kam dabei raus? Vier persönliche Treffen, 5000 dafür mit dem Zug gefahrene Kilometer, zehn Besichtigungen von unterschiedlichen Einrichtungen der OKJA. Wir haben

  • ein wissenschaftlich begleitetes 40-seitiges Konzept zu offener Jugendarbeit im
    ländlichen Raum verfasst
  • daraus einen kompakten Forderungskatalog fürs Politiker:innen erstellt,
  • Imagevideos gedreht und
  •  eine Fachtagung „Multiplier-Veranstaltung“ organisiert.

Wow, was für ein Vorhaben! Alle Beteiligten sind parallel dazu ja noch in anderen Projekten engagiert. Aber wir haben unsere hochgesteckten Ziele erreicht. Vielleicht hatten wir diesen Elan, weil es hier um etwas geht, was allen Beteiligten aus drei Regionen am Herzen liegt: die Jugend in ländlichen Räumen generell und Jugendarbeit im Konkreten zu fördern.

Hier seht ihr uns erleichtert nach getaner Arbeit vorm Jugendzentrum A-Toll. Das
Jugendzentrum wurde 2015 für eine Million Euro neu gebaut mit allem, was das Herz von Jugendlichen und Professionellen höherschlagen lässt: Chill- und Zockecken, große Küche, extra Veranstaltungsraum, Trainingsraum, Mädchenraum, Beratungsraum. Das Jugendzentrum hat sechs Tage die Woche geöffnet. Ein good practice Beispiel! Nur 110 km entfernt, auch in Niederösterreich, haben wir ein anderen Jugendtreff kennengelernt: Ein Container mit Loch im Holzboden, 40 Jahre alten Möbeln, null Euro pädagogischem Budget und einer einzigen Fachkraft. In Niederösterreich sind diese krassen Unterschiede möglich, weil die Finanzierung den jeweiligen Gemeinden obliegt. Manche können oder wollen sich keine Jugendarbeit leisten, andere investieren zukunftsweisend in ihre Jugend. Die Finanzierung der OKJA auf Landesebene sicherzustellen war zentrales Anliegen der NÖJA, um das EUProjekt „Jugendarbeit im europäischen Dorf“ ins Rollen zu bringen. Kompetente Partner:innen waren in Niedersachsen und dann Ostbelgien rasch gefunden – und das Projekt initiiert.

Obwohl in allen drei Regionen professionelle Jugendarbeit am Land gemacht wird, stellten wir anfangs erstaunt fest, dass sie sich in ihrer lokalen Ausprägung ganz schön
unterscheidet. Gründe dafür fanden wir in der Gesetzgebung, den Finanzierungsmodellen und in den geographischen Bedingungen: das deutschsprachige Ostbelgien hat eine Fläche von 854 km² bei einer Bevölkerungsdichte von 92 Ew:innen/km², Niedersachsen 47.709 km² 168 Ew:innen/km², Niederösterreich 19.180 km² und 88 Ew:innen/km².

 

OKJA in ländlichen Räumen
Montag, 20.06.2022, in Eupen.

Die Projektgruppe trifft sich zum ersten Mal in Ostbelgien. Wir erfahren herzliche Gastfreundschaft gewürzt mit einer guten Prise Humor. Wir werden mit Fritten und eingekühltem Bier begrüßt. Das hilft beim Arbeiten. Bei diesem Treffen diskutieren wir die Unterschiede von ländlichen Räumen und was das für die Offene Kinder und Jugendarbeit bedeutet. Ostbelgien ist ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich ländliche Räume sein können. Manche Dörfer sind vom Aussterben bedroht, andere wachsen aufgrund ihrer Nähe zu Eupen oder Aachen. In Kleinstädten und regionalen
Zentren, die gut an den ÖPNV angebunden sind, ist die OKJA meist ähnlich wie in Städten organisiert, d.h. mit fixen Treffs, Zentren und Anlaufstellen. Die mobile Jugendarbeit ist in Ostbelgien das Mittel der Wahl, um junge Menschen in abgelegenen Ortschaften zu erreichen.

 

Wir stellen fest: Die OKJA hat auch kleinen Ortschaften viel zu bieten. Sie ist Ort für soziales und sachbezogenes Lernen. Sie bietet Möglichkeiten der Partizipation, des
gemeinschaftlichen Zusammenhalts, der Inklusion und des Empowerments.
Jugendarbeiter:innen können flexibel auf junge Menschen und deren sich stetig ändernde Lebenswelten eingehen. (vgl. bOJA 2021: 69-72) Bemerkenswert ist, dass die OKJA in ländlichen Räumen i.d.R. von persönlichen Beziehungen und kurzen Wegen geprägt ist, auch zu Politik und Verwaltung. Auch wenn es sich oft um kleinere Einrichtungen handelt, müssen die Jugendarbeiter:innen gut mit der Lokalpolitik und anderen wichtigen Akteur:innen vernetzt sein. Von der Streetworkerin aus Eupen erfahren wir, dass das förderlich sein kann, aber auch die Gefahr der Vereinnahmung beinhaltet.

Unser Fazit in Eupen ist: Die Potentiale der OKJA werden von Entscheidungsträger:innen in ländlichen Räumen oft nicht ausreichend genutzt. Dabei hat die OKJA viel zu bieten. Anhand von Praxisbeispielen werden nun die Potentiale der OKJA für ländliche Räume dargestellt, die uns als Projektgruppe am Relevantesten erscheinen.

 

OKJA festigt die Bindung von jungen Menschen an ihre Herkunftsdörfer
Sandra wohnt mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung in einem niederösterreichischen Dorf. Ihr Freundeskreis hängt gern ab. Sie hat keine Lust auf Jungschar, Fußballverein oder teuren Reitunterricht. „Ohne den Jugendtreff wäre es richtig langweilig hier im Ort. Wir kommen fast jeden Tag.” In ihrem Freundeskreis ist das JUGI so beliebt, weil sie sich hier ausbreiten können und die Jugendarbeiter:innen aufrichtig bemüht sind den jungen Menschen etwas zu bieten. Oft werden sie gefragt, was sie im JUGI oder im Dorf brauchen. „Mir gefällt es in unserem Dorf. Die Feste vom JUGI sind leiwand, ich kenne alle Leute und man kann ja auch schnell nach Wien fahren, mit der S-Bahn. Falls ich eine Wohnung finde, bleibe ich hier.“ Sie wünscht sich, dass auch andere in ihrem Alter im Dorf bleiben.

Viele junge Erwachsene verlassen nach der Schule ihre Herkunftsorte. Was kann sie dazu
bewegen zu bleiben oder später zurückzukehren? Studien zeigen, dass neben Mobilität,
Wohnraum, Ausbildungs- und Jobchancen Jugendliche das Gefühl brauchen, dass sich die Kommune für sie interessiert, ihnen soziale und räumliche Angebote zur Verfügung stellt, sie in ihren Entscheidungen und Bedürfnissen ernst nimmt und sie an Entscheidungen teilhaben können. Hierbei kann die OKJA sehr hilfreich sein und Kommunen unterstützen echte Nähe zu jungen Menschen herzustellen.

Junge Menschen machen in der OKJA positive Erfahrungen in Form von attraktiven,
partizipativen, auf ihre Lebenswelt im ländlichen Raum bezogene Angebote. Selbst wenn
junge Menschen entscheiden einige Jahre in größeren Ortschaften zu leben, stärken die
positiven Erfahrungen aus der Jugendzeit die Bereitschaft in den ländlichen Raum
zurückzukehren. In die OKJA und damit in Kinder und Jugendliche zu investieren bedeutet den eigenen Standort auch für Familien attraktiver zu machen. Die Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit begrenzen sich dabei nicht auf Freizeitangebote. Vielmehr sollen junge Menschen durch innovative Konzepte der OKJA in Abstimmung mit der lokalen Politik an der gesellschaftlichen, baulichen und räumlichen Entwicklung ihres Sozial- und Lebensraumes mitwirken. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Akteur:innen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, wie auch die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und Verwaltung der Möglichkeiten der OKJA auch unter den besonderen Bedingungen des ländlichen Raumes bewusst werden.

OKJA vermittelt bei jugendrelevanten Themen: Bsp. Mobilität
Molo und seine Freunde fahren regelmäßig mit ihren Scootern zum Treff in Kelmis. Kelmis ist ein Ort in Ostbelgien im Dreiländereck zu Deutschland und den Niederlanden. Molo mag es, dass dort viele andere Jugendliche sind. Im Treff spielt er gern Nintendo Switch, Billard oder lernt neue Leute kennen. Auch findet er, dass die Jugendarbeiter:innen cool drauf sind und stets ein offenes Ohr für ihn haben. Sein Lieblingsjugendarbeiter hatte neulich eine richtig coole Idee. Er hat ihm erzählt, dass zwei Jugendtreffs gemeinsam ein Auto angeschafft haben, mit dem man fahren üben kann. Das ist gratis Fahrtraining zur Erlangung des praktischen Führerscheins. Die Fahrbegleiter sind allesamt Ehrenamtliche. Das ist ein tolles Angebot. Molo ist sofort dabei. Er wartet schon ewig darauf endlich den Führerschein machen zu dürfen und kann es sich jetzt dank des Fahrtrainings auch leisten.

Junge Menschen müssen häufig schon ab dem Schulbeginn mobil und flexibel sein und in
größere Ortschaften fahren. Erwachsene verlieren manchmal aus dem Blick, wie wichtig
unabhängige Mobilität für junge Menschen ist. Die OKJA sieht sich doppelt in der
Verantwortung. Jugendarbeiter:innen kennen durch tägliche Gespräche die Bedürfnisse
junger Menschen in Bezug auf Mobilität. Jugendarbeiter:innen wollen dieses Wissen mit
Entscheidungsträger:innen teilen und junge Menschen dazu befähigen ihre konkreten
Bedarfe selbst zu formulieren. Die Aufgabe der OKJA ist es die Bedarfe von jungen
Menschen sichtbar zu machen, z.B. durch klar strukturierte und fest verankerte
Beteiligungsprojekte. Die politischen Vertreter:innen sind in der Folge für die Umsetzung
zuständig.

Außerdem arbeitet OKJA auch mobil und herausreichend. D.h. die Jugendarbeiter:innen sind selbst mobil und fahren zu den Jugendlichen, um sie an ihren Lieblingsorten zu treffen. Folgende Fragen sollten bei der Implementierung oder Evaluierung von Projekten der OKJA gestellt werden: Wie kann die Erreichbarkeit der OKJA verbessert werden? Wie viel Mobilität braucht die OKJA? Was kann die OKJA beitragen, um die Mobilität der Jugendlichen zu verbessern? Inwieweit ist das Thema Mobilität von der OKJA in der Kommune beeinflussbar? Festhalten lässt sich: Jugendtreffs sollten gut gelegen und einfach zu erreichen sein. Je schlechter ein Jugendtreff erreichbar ist, desto besser muss die Mobilität der Jugendarbeiter:innen sein.

OKJA stärkt Demokratie
Tina und Julie gehen regelmäßig ins Jugendzentrum um dort ihre Freizeit zu verbringen. Das Haus ist groß und bietet den Jugendlichen viele Möglichkeiten. Beide Mädchen fahren gerne Inliner, nur das ist auf dem Hof des Jugendhauses leider nicht möglich, da dieser nur geschottert ist und immer wieder fremde Autos darauf parken. In ihrem Jugendhaus erfahren sie von der Möglichkeit mit Jugendlichen aus anderen Jugendhäusern an einem Beteiligungsprojekt des Landkreises teilnehmen zu können. Sie melden sich an und lernen, wie Beteiligung in einer Kommune funktioniert. Gestärkt durch das Wissen und ermutigt von den Jugendarbeiter:innen gehen die beiden Mädchen zur Sprechstunde des Bürgermeisters und machen Vorschläge zur Verbesserung des Hofs des Jugendhauses. Daraufhin entsteht in Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister, den Jugendlichen und den Jugendarbeiter:innen ein Umgestaltungsprozess zu dem auch weitere Jugendlichen eingeladen werden. Tina und Julie sind Teil eines demokratischen Prozesses geworden. 

Junge Menschen interessieren sich für politische Themen. Gleichzeitig wird ihnen nur selten die Möglichkeit geboten sich demokratisch einzubringen. Damit sich Jugendliche einbringen, braucht es gute Voraussetzungen und jugendgerechte Formate, die das Engagement unterstützen und würdigen. Die kommunale Ebene spielt eine entscheidende Rolle: Politische Entscheidungen in ihren Heimatdörfern haben unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der jungen Menschen. Die unmittelbare Betroffenheit bietet auch die Chance Jugendliche zu motivieren sich vor Ort noch mehr einzubringen. Im besten Fall erfahren sie Politik als gestaltbar und erkennen das wechselseitige Verhältnis von Mitspracherechten und Verantwortungsübernahme (vgl. BMFSFJ, 2012; vgl. Deutscher Bundestag 2020). Gleichzeitig gibt es auf der kommunalen Ebene gute Rahmenbedingungen für die Umsetzung einer wirkungsvollen Jugendbeteiligung, die in verschiedene politische Handlungsfelder hineinwirken kann. Aus der Praxis wissen wir, dass Kinder und Jugendliche enttäuscht darauf reagieren, wenn Beteiligung nur „gespielt“ wird. Das kann Demokratieverdrossenheit sogar noch steigern. Es geht auch nicht darum einzelne sog. Leuchtturmprojekte zu entwickeln, sondern vielmehr um die Verankerung einer eigenständigen Jugendpolitik: Eine Jugendpolitik, die jugendgerecht und transparent ist, die jungen Menschen Perspektiven für ein eigenverantwortliches Leben in einer sozialen Gesellschaft ermöglicht (vgl. Deutscher Bundestag 2013: 415-418). Hierfür sind Jugendarbeiter:innen Fachpersonal und die Verbindungsstelle für eine solche Jugendpolitik.

Anhand der drei Beispiele wird klar, wie stark die Jugendarbeit von der Zusammenarbeit mit der Politik geprägt ist. Aus diesem Grund richten wir uns mit folgenden zentralen
Forderungen direkt an die Entscheidungsträger:innen.

Empfehlungen für Entscheidungsträger:innen

1. Politik setzt sich für die Jugend ein

Junge Menschen, die sich nicht mehr von der Demokratie repräsentiert fühlen, zeigen ihren Unmut außerparlamentarisch, fühlen sich von radikalen Strömungen angezogen, wie der Neuen Rechten, oder äußern ihren Verdruss durch politische Abstinenz. (vgl. Hofmann 2018) Wir empfehlen deshalb, dass Kommunen zu Jugendgerechten Kommunen werden. Diese zeichnen sich durch eine eigenständige Jugendpolitik aus, die als Querschnittsthema in allen Politikbereichen mitgedacht wird. Konkret bedeutet das: Jugendlichen Räume zu schaffen, jungen Menschen egal aus welchem sozialen Hintergrund faire Chancen und Teilhabe zu ermöglichen, Mobilität, Ausbildungs- und Arbeitsperspektiven zu schaffen und Infrastrukturanliegen der jungen Menschen, wie guten Netzzugang, zu ermöglichen.

 

2. Politik fördert direkte, sichtbare und wirkungsvolle Jugendbeteiligung

Junge Menschen wollen sich beteiligen und haben auch das Recht dazu.
Jugendarbeiter:innen unterstützen Gemeinden dabei jugendgerechte Strukturen zu schaffen. Wenn geeignete Formate geschaffen wurden, sollten sich junge Menschen so viel wie möglich direkt einbringen können. Jugendbeteiligung wird sichtbar, wenn sie von möglichst vielen Institutionen im Ort getragen und beworben wird. Jugendbeteiligung ist wirkungsvoll, wenn sie Spaß macht, professionell begleitet wird und Ergebnisse der Beteiligungsprozesse von Politiker:innen ernst genommen werden. Partizipation bedeutet nicht, dass die Jugend alles bestimmt und jedes Bedürfnis, jeder Wunsch erfüllt werden muss. Es bedeutet vielmehr in einen Aushandlungsprozess und Dialog zu gehen, so dass Entscheidungen, die das eigene Leben und das Leben der Gemeinschaft betreffen, gemeinsam getroffen werden.

3. Politik beteiligt junge Menschen an kommunalen Entwicklungsprozessen

Wesentliches Ziel sollte es sein, die Interessen und Bedarfe junger Menschen stärker in der Kommunalpolitik zu verankern und in den öffentlichen Blick zu rücken. Im ersten Schritt können die Bedarfe der jungen Menschen im Sinne einer Politikberatung erfragt werden. Im nächsten Schritt geht es darum den jungen Menschen mehr Verantwortung zu übergeben. Generell sollte der Aufwand für Jugendliche nicht zu groß sein. Eine kurzfristig erlebbare Umsetzung von Themen ist wichtig. Jugendliche sind Expert:innen für die Nutzung öffentlicher Räume und Plätze. Über diese und andere ihren Lebensalltag betreffende Themen wollen sie Mitsprache auf „Augenhöhe“. Die Implementierung von OKJA ist ein essentielles Mittel, um der Jugend ein Gewicht zu geben. Für das Heranführen an demokratische Beteiligungsprozesse eignet sich hier die Offene Kinder- und Jugendarbeit in besonderem Maße und verdient daher besondere Beachtung.

4. Politik richtet Jugendstrategien und Förderpläne ein

Jugend ist ein Querschnittsthema und muss in Planungsprozesse integriert werden. Dabei ist es wesentlich, verantwortliche Personen festzulegen, die diese Planung
koordinieren. Empfohlen wird die Einrichtung einer Planungs- bzw. Steuerungsgruppe
bestehend aus den zuständigen Fachabteilungen der öffentlichen Hand, sowie
Vertreter:innen der Trägerorganisationen und Vernetzungsstrukturen. Festgestellte Bedarfe können hier übergreifend diskutiert und die Umsetzung konkretisiert werden. Ziel sollte es sein, parallele Strukturen zu bündeln, bestehende Angebote gut aufeinander abzustimmen und auf bisher schlecht versorgte Gebiete auszuweiten.

5. Politik erkennt das Potential & investiert in die OKJA

Die OKJA ist eine gute, sichere und effiziente Investitionsmöglichkeit, wenn man Kinder und Jugendliche fördern möchte. Soziale Fähigkeiten werden erlernt, Freundschaften
geschlossen und soziale Unterschiede zwischen jungen Menschen verlieren an Bedeutung.  Jugendliche freuen sich über Freiräume, besondere pädagogische Angebote, Spiel und Spaß. Junge Menschen aus Familien mit Multiproblemlagen profitieren darüber hinaus vom Jugendtreff als sicherem Ort, an dem Fürsorge erlebt wird. Die OKJA kann die Bedürfnisse der jungen Menschen übersetzen und fördert damit Verständnis zwischen den Generationen. OKJA ist Instrument gelebter Partizipation und wirkt damit aktiv gegen Demokratieverdrossenheit. Fachkräfte der Jugendarbeit können ihre Expertise auf allen Ebenen der Jugendbeteiligung und im Sinne des Regionalmanagement einbringen.

6. Politik verankert OKJA im ländlichen Raum

Angebote der OKJA sollen dort stattfinden, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Vor der Einführung von Angeboten sollten Sozialraum- und Bedarfsanalysen durchgeführt und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Jugendtreffs müssen gut erreichbar sein. Entlegenere Orte können von der Mobilen Jugendarbeit betreut werden. Voraussetzung dafür ist es, dass Jugendarbeiter:innen mobil sind. Mehrere Angebote der herausreichenden OKJA haben einen ausgebauten Bus, der gleichzeitig als ein Mini-Raum fungiert. Für Außenstellen der OKJA sind auch alte Bahnwägen oder Bauwägen geeignet. Ein wichtiger Punkt ist die überregionale Begleitung von Jugendräumen über Gemeindegrenzen hinweg, weil das die Lebensrealität der jungen Menschen widerspiegelt. Überregionale Angebote sind kostensparend, wenn sie in regionalen Netzwerken koordiniert und gebündelt werden.

7. Politik garantiert professionelle Standards der OKJA

Im Diskussionsprozess zeigten sich Strukturmerkmale und Qualitätsstandards, die für
professionelle Jugendarbeit benötigt und von der Politik finanziert werden sollten. Diese
umfassen Gesetze und Verordnungen, Finanzierung, Personal, Ausstattung und
Organisation, Steuerung und jugendpolitisches Leitbild. Auf Grundlage dieser
Qualitätsstandards sollten Leistungsvereinbarungen für den Zeitraum von 3 bis 5 Jahren
zwischen Geldgeber:innen und der OKJA abgeschlossen werden. Einrichtungen verpflichten sich zu kontinuierlicher Organisations- und Qualitätsentwicklung.

 

Ausblick

Donnerstag, 15.12.2022, 10.45 Uhr:

Wir befinden uns im großen Seminarraum einer Jugendherberge in Hannover, vor uns einige Dutzend Leitungs- und Fachkräfte der OKJA aus dem europäischen Raum. Gleich startet unsere eintägige Fachtagung als Schluss- und Höhepunkt der Strategischen Partnerschaft. Es gibt gerade noch etwas Zeit, um sich einen guten Platz zu sichern, bekannte Gesichter zu begrüßen und einen Blick auf den Büchertisch zu werfen. Neben den relevanten Fachbüchern liegt dort auch die neuste Ausgabe der Zeitschrift Offene Jugendarbeit, ein paar Mozartkugeln und das frisch gedruckte Konzept.

Das Konzept gibt es übrigens auf der Website der LAG OKJA Niedersachsen gratis zum
Download.

Unsere Forderungen an die Politik mahnen auf einem Plakat neben dem Podium. Nach einigen Grußworten schauen wir uns gemeinsam unseren Kampagnenfilm an. Dann stellen wir die Ergebnisse vor und diskutieren sie anhand von Praxisbeispielen aus den Partnerregionen. Die Diskussionsergebnisse notieren wir uns. Wir können sie sicher für
Folgeprojekte gebrauchen. Es ist spannend unsere Arbeit in einen größeren Kontext zu
stellen und damit auf den Prüfstand zu stellen. Um 17:00 endet die Fachtagung. Das Projekt hat einen würdigen Abschluss gefunden und wir stoßen auf unsere Zusammenarbeit an.

Quellen:

bOJA – bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit (Hg.) (2021): Offene Jugendarbeit in Österreich – Ein Handbuch. Wien/Berlin: Mandelbaum Verlag.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012): Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, online verfügbar unter: www.bmfsfj.de/resource/blob/94118/c49d4097174e67464b56a5365bc8602f/kinderge
rechtes-deutschland-broschuere-qualitaetsstandards-data.pdf

Deutscher Bundestag (2020): Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – 16. Kinder- und Jugendbericht – Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter. Drucksache 19/24200. 11.11.2020. Berlin.

Deutscher Bundestag (2013): Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – 14. Kinder- und Jugendbericht – Förderung demokratischer Bildung im Kindes- und Jugendalter.
www.bmfsfj.de/resource/blob/93146/6358c96a697b0c3527195677c61976cd/14-
kinder-und-jugendbericht-data.pdf

Hofmann, Madeleine (2018): Macht Platz! Über die Jugend von heute und die Alten, die
überall dick drin sitzen und über fehlenden Nachwuchs schimpfen. Frankfurt a.M.:
Campus Verlag.